Künstliche Intelligenz ist längst keine exklusive Domäne für Konzerne oder Forschungslabore mehr. Was vor wenigen Jahren noch als hochspezialisiertes Expertenwerkzeug galt, ist heute öffentlich zugänglich, vielfach quelloffen und mit etwas technischem Geschick sogar lokal einsetzbar. Ob Texterstellung, Codegenerierung, Bildanalyse oder Musikkomposition: Für nahezu jeden Anwendungsbereich existieren spezialisierte KI-Modelle.

In diesem Beitrag möchte ich einen strukturierten, praxisorientierten Einblick geben – mit Fokus auf Modelle, die besonders für Selbstständige, Lehrende, Entwickler:innen und kreative Berufe interessant sind. Zugleich werfen wir einen kritischen Blick auf das Thema Datenschutz, am Beispiel der aktuellen Kontroverse um DeepSeek.

Ergänzend stelle ich Ihnen konkrete Nutzungsszenarien vor, liefere Einstiegstipps für die Praxis und erläutere technische Voraussetzungen sowie rechtliche Hintergründe verständlich und kompakt.

Übersicht: Öffentlich zugängliche KI-Modelle nach Anwendungsfeldern

Sprachverarbeitung / Large Language Models (LLMs)

Die folgenden Modelle zählen zu den derzeit leistungsstärksten Sprachmodellen, die öffentlich zugänglich oder über API nutzbar sind. Sie ermöglichen Aufgaben wie Textgenerierung, Chatbots, automatische Übersetzungen oder Zusammenfassungen.

Modell

Anbieter

Hauptfunktion

Besonderheit

Claude 3

Anthropic

Natürliches Sprachverständnis

Fokus auf Ethik und Sicherheit

DeepSeek LLM

DeepSeek (CN)

Text, Code, Chat

Hohe Leistung, datenschutzrechtlich kritisch

Gemini 1.5

Google DeepMind

Konversation, Web-Suche integriert

Workspace-Anbindung, riesiger Kontext

GPT-4o

OpenAI

Textverarbeitung, Codierung, Chat

Multimodal (Text, Bild, Audio)

LLaMA 3

Meta

Forschungsnahes Open-Source-LLM

Gute lokale Integration möglich

Mistral

Mistral AI (OS)

Lightweight-LLM

Extrem schnell, lokal einsetzbar

Highlights

  • GPT-4o punktet mit Multimodalität und breitem Einsatzspektrum
  • Mistral ist ein besonders leichtgewichtiges Modell für lokale Nutzung
  • Claude 3 legt besonderen Fokus auf ethisches Verhalten und Sicherheit

Exkurs: DeepSeek und die Datenschutzdebatte

DeepSeek ist ein prominentes Beispiel für die Spannung zwischen technologischer Exzellenz und regulatorischer Verantwortung. Die Berliner Datenschutzaufsicht forderte im Juni 2025 die Entfernung der DeepSeek-App aus den deutschen App Stores – wegen:

  • fehlender Transparenz zu Datenflüssen nach China
  • möglichem Zugriff chinesischer Behörden auf personenbezogene Daten
  • Verstoß gegen die DSGVO (Art. 44ff) und DSA (Art. 16)

Obwohl DeepSeek technisch beeindruckt, insbesondere mit leistungsstarken Modellen wie DeepSeek-Coder oder DeepSeek-Vision, ist die Nutzung in der EU derzeit nicht datenschutzkonform. Das sollten insbesondere freiberuflich oder öffentlich tätige Personen bei der Tool-Auswahl berücksichtigen.

Bildverarbeitung / Multimodale Modelle

Diese Modelle kombinieren Bild- und Textverarbeitung oder generieren visuelle Inhalte auf Basis sprachlicher Eingaben. Sie kommen in Bereichen wie Design, Marketing, Kunst und Visualisierung zum Einsatz.

Modell

Anbieter

Hauptfunktion

Besonderheit

DALL·E 3

OpenAI

Text-zu-Bild-Generierung

In ChatGPT integriert

DeepSeek Vision

DeepSeek

Multimodales Modell

KI sieht und versteht – in China gehostet

Midjourney

Midjourney Inc.

Hochwertige, künstlerische Bilder

Discord-basierter Workflow

Stable Diffusion

Stability AI

Lokale Bildgenerierung

Open Source, große Community

Highlights

  • Midjourney ist besonders für kreative und künstlerische Arbeiten beliebt
  • Stable Diffusion ermöglicht völlig lokale Bildgenerierung ohne Cloudzugriff
  • DALL·E 3 bietet einfache Integration in Chat-basierte Workflows

Codierung / Softwareentwicklung

Diese Modelle unterstützen Entwickler:innen bei der automatisierten Generierung, Prüfung und Dokumentation von Quellcode. Sie beschleunigen Entwicklungsprozesse und senken Einstiegshürden für Lernende.

Modell

Anbieter

Hauptfunktion

Besonderheit

Code LLaMA

Meta

Lokales Codemodell

Gut für Training und interne Nutzung

Codex

OpenAI

Code-Vervollständigung & Analyse

Grundlage für GitHub Copilot

DeepSeek-Coder

DeepSeek

Codegenerierung aus Sprache

Leistungsstark, Datenschutz fraglich

StarCoder

Hugging Face

Mehrsprachiges Codiermodell

Open-Source-kompatibel

Highlights

  • Codex hat die Basis für GitHub Copilot gelegt und ist weit verbreitet
  • Code LLaMA ist ein guter Startpunkt für eigene KI-Projekte mit lokalem Fokus
  • StarCoder unterstützt zahlreiche Programmiersprachen und ist quelloffen

Audio  und Sprachsynthese

Diese Modelle wandeln Sprache in Text um – oder umgekehrt. Sie finden Anwendung in Barrierefreiheit, Medienproduktion, virtuellen Assistenten oder Transkriptionen.

Modell Anbieter Hauptfunktion Besonderheit

Bark

Suno AI

Sprachsynthese & Musik

Klanglich natürlich, auch Gesang

ElevenLabs

ElevenLabs

Natürliche Stimmen für TTS

Voiceover, Hörbuch, Barrierefreiheit

VALL-E

Microsoft

Realistische Sprachklone

Hochqualitativ, experimentell

Whisper

OpenAI

Transkription & Erkennung

Hohe Präzision, multilingual

Highlights

  • Whisper ist derzeit eines der präzisesten Transkriptionsmodelle
  • ElevenLabs bietet beeindruckende Stimmqualität mit viel Kontrolle
  • Bark experimentiert mit KI-generierter Musik und Gesang

Weitere spezialisierte Modelle im Überblick

Auch jenseits der bekannten Text-, Bild- und Codierungsmodelle existieren KI-Systeme mit hochspezialisierten Einsatzgebieten – von Musikproduktion über 3D-Modellierung bis hin zur Proteinstrukturvorhersage.

Modell / Tool

Anbieter

Hauptfunktion

Zielgruppe / Einsatzfeld

AlphaFold

DeepMind

Proteinstrukturvorhersage

Biotechnologie, Forschung, Pharmazie

Kaiber

Kaiber Inc.

Animierte Musikvideos aus Audio + Bild

Künstler:innen, Musikbranche

Luma AI / NeRF

Luma Labs

3D-Rekonstruktion aus Bildern/Videos

3D-Design, Architektur, Virtual Reality

MusicLM

Google

Musikkomposition aus Text

Sounddesign, Prototyping, Hobby

Runway Gen-2

RunwayML

KI-gestützte Videobearbeitung

Content Creation, TikTok, VFX

Sora

OpenAI

Text-zu-Video

Medien, Werbung, Filmproduktion

StyleGAN3

NVIDIA

Gesichtsgenerierung

Forschung, Avatar-Design, Deepfakes

Highlights

  • AlphaFold revolutioniert die Biotechnologie durch präzise Molekülmodellierung
  • Sora zeigt eindrucksvoll, wie KI animierte Kurzvideos erzeugen kann – aus reinem Text
  • Luma AI/Nerf ermöglicht fotorealistische 3D-Rekonstruktionen aus simplen Smartphone-Videos

Einstiegstipps: Wie Sie mit KI starten können

Viele der hier vorgestellten Modelle lassen sich ohne Vorkenntnisse direkt ausprobieren:

  • Claude 3 (Anthropic): über https://claude.ai
  • GPT-4o (OpenAI): https://chat.openai.com – kostenlose Nutzung mit Basismodell, GPT-4o im Plus-Abo
  • Hugging Face Spaces: zahlreiche Modelle direkt im Browser testen – z.B. StarCoder, Bark oder Stable Diffusion
  • Ollama / LM Studio: lokale Modellbereitstellung für LLaMA, Mistral, DeepSeek & Co

Praxisbeispiele – So nutzen Sie KI konkret

Die reinen Tabelleninformationen bieten einen guten Überblick – doch was bedeutet das konkret im Alltag? Hier ein paar typische Einsatzszenarien:

  • Trainer:innen / Dozent:innen: Claude 3 fasst Kursinhalte zusammen oder erstellt Übungsfragen. Whisper transkribiert Seminaraufzeichnungen automatisch.
  • Softwareentwickler:innen: Codex oder StarCoder generieren Boilerplate-Code oder dokumentieren komplexe Funktionen in Echtzeit.
  • Kreative / Designer:innen: Midjourney oder DALL·E 3 liefern visuelle Entwürfe für Präsentationen oder Social Media. Kaiber erzeugt dynamische Musikvideos.
  • Wissenschaft / Forschung: AlphaFold hilft, Proteinstrukturen zu analysieren. Luma AI generiert 3D-Modelle für virtuelle Umgebungen oder Simulationen.

Exkurs: Prompt Engineering – die unterschätzte Schlüsselkompetenz

Der Erfolg beim Einsatz moderner KI-Modelle hängt nicht nur von deren Architektur oder Leistungsfähigkeit ab, sondern maßgeblich von der Qualität der Eingaben – den sogenannten Prompts. Prompt Engineering bezeichnet die zielgerichtete Formulierung von Anfragen, Aufgabenstellungen oder Instruktionen an ein KI-Modell, um möglichst relevante, korrekte und kontextgerechte Ergebnisse zu erzielen.

Was ist ein guter Prompt?

Ein effektiver Prompt enthält:

  • eine klare Rollenvergabe (z.B. „Handle als Lehrkraft in der Sekundarstufe I“),
  • eine präzise Aufgabenstellung (z.B. „Erkläre Photosynthese in einfachen Worten“),
  • eine Zielgruppendefinition (z.B. „für eine 6. Klasse“),
  • und ggf. Formatwünsche (z.B. „in Stichpunkten“ oder „in Tabellenform“).

Beispielhafte Gegenüberstellung

Prompt Modellergebnis
Erkläre Relativitätstheorie Wissenschaftlich komplex, keine Rücksicht auf Vorwissen.
Erkläre die Relativitätstheorie wie einem 14-jährigen Schüler mit Beispielen Verständlich, adressatengerecht, mit Alltagstransfer.

Warum ist Prompt Engineering so wichtig?

  • Erhöht die Ergebnisqualität: Je präziser der Input, desto relevanter die Antwort
  • Spart Zeit: Weniger Nachfragen oder Korrekturschleifen nötig
  • Ermöglicht kreative Workflows: KI als Ideengeber, Texter, Übersetzer, Korrekturinstanz – alles in einem Tool

Tools und Ressourcen für besseres Prompting

  • PromptHero (https://prompthero.com): Bibliothek für visuelle und textuelle Prompts
  • FlowGPT (https://flowgpt.com): Sammlung getesteter Prompts mit Community-Bewertung
  • LearnPrompting (https://learnprompting.org): Interaktive Lernplattform für Prompt-Strategien
  • OpenAI Cookbook: Technische Anleitung für strukturierte API-Prompts und Modellverhalten

Empfehlungen für Einsteiger:innen

  • Beginnen Sie mit Beispielen und bauen Sie diese schrittweise aus
  • Arbeiten Sie iterativ: Prompt – Ergebnis – Feinschliff
  • Dokumentieren Sie gute Prompts für wiederholbare Aufgaben
  • Nutzen Sie Prompt-Vorlagen für wiederkehrende Prozesse (z.B. Angebotsformulierungen, Gliederungen, Feedbackschreiben)

„Wer gute Prompts formuliert, führt das Gespräch – nicht die KI.“

Prompt Engineering ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug zur gezielten Entfaltung der KI-Potenziale – ob im Unterricht, beim Schreiben, beim Programmieren oder in der strategischen Analyse.

Lokale KI-Modelle oder Cloud? – Ein strategischer Vergleich mit Vorteilen, Grenzen und Systemanforderungen

Wer KI-Modelle datensouverän, flexibel und langfristig wirtschaftlich betreiben möchte, kommt an lokalen Lösungen kaum vorbei. Der Betrieb von KI-Modellen auf eigenen Systemen wird zunehmend attraktiver – nicht nur aus Gründen der Leistungsfähigkeit, sondern vor allem im Hinblick auf Datenschutz, Unabhängigkeit und Kostenkontrolle. Während viele cloudbasierte Dienste einfache Nutzung ermöglichen, stellt die lokale Ausführung eine datensouveräne Alternative dar.

Warum lokale KI-Nutzung?

  • Datensicherheit: Keine Übertragung sensibler Inhalte an Drittanbieter
  • Offline-Verfügbarkeit: Kein Internet erforderlich – nützlich in regulierten oder abgeschotteten Umgebungen
  • Kostenkontrolle: Keine nutzungsabhängigen Gebühren, insbesondere bei intensiver Nutzung
  • Flexibilität: Eigene Modelle trainieren, optimieren oder kombinieren

Unterschiede zur öffentlichen Nutzung über Cloud-Modelle

Die folgende Gegenüberstellung zeigt die wichtigsten Unterschiede zwischen cloudbasierten Diensten und lokalem Modellbetrieb – von Datenschutz über Skalierung bis zur finanziellen Planbarkeit.

Aspekt

Öffentliche KI-Modelle (API/Cloud)

Lokale Modelle

Datenschutz

Eingeschränkt steuerbar

Volle Kontrolle über Daten und Zugriff

Leistung

Hoch skalierbar, servergestützt

Hardwareabhängig, aber kontrollierbar

Kostenstruktur

Abo / Pay-per-Token

Einmalige Hardwarekosten, ggf. auf Dauer günstiger

Modellauswahl

Vorgabe durch Anbieter

Individuelle Auswahl und Modifikation

Zugänglichkeit

Sofort nutzbar, keine Einrichtung

Einmaliges Setup erforderlich, danach flexibel nutzbar

Technische Mindestanforderungen für lokale Nutzung

Je nach Einsatzbereich stellen sich unterschiedliche Anforderungen an die Systemleistung. Die nachfolgende Tabelle dient als praxisnahe Orientierung für den technischen Einstieg.

Einsatzbereich

Empfohlene Ausstattung

Text-LLMs (Chat, Code)

16 GB RAM, aktuelle CPU, SSD

Bildgenerierung

NVIDIA GPU mit ≥8 GB VRAM (z.B. RTX 3060)

Multimodale Modelle

≥32 GB RAM, dedizierte GPU, NVMe-SSD

Diese Werte stellen grobe Richtlinien dar. Viele optimierte Modelle wie Mistral 7B oder LLaMA 3 8B lassen sich bereits auf Mittelklasse-Hardware betreiben – allerdings mit reduzierter Geschwindigkeit.

Praxis-Tipp: Für den Einstieg bieten sich Werkzeuge wie Ollama (Kommandozeile) oder LM Studio (grafische Oberfläche) an. Diese Tools ermöglichen es, lokal KI-Modelle wie LLaMA oder Mistral direkt auf dem eigenen System auszuführen – ohne Cloudbindung.

KI-Ethik und algorithmische Verantwortung – Herausforderungen, Leitlinien und Perspektiven

Während öffentlich zugängliche KI-Modelle immer leistungsfähiger, vielseitiger und alltagstauglicher werden, stellt sich zunehmend die Frage nach dem verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien. Denn künstliche Intelligenz ist keineswegs neutral: Ihre Antworten, Empfehlungen und Entscheidungen basieren auf statistischen Wahrscheinlichkeiten, gelernten Mustern und – nicht zuletzt – den Trainingsdaten, die ihr zugrunde liegen.

Warum KI nie wirklich objektiv ist

Jedes KI-Modell trägt die Spuren seiner Entstehung:

  • Trainingsdaten enthalten gesellschaftliche Vorurteile, Stereotype oder einseitige Sichtweisen
  • Große Sprachmodelle imitieren Sprache, ohne deren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen – sie reproduzieren, was plausibel klingt
  • Algorithmische Entscheidungsprozesse (z.B. bei Bewerbungen, Kreditvergabe, Risikoeinstufungen) können vorhandene Diskriminierung sogar verstärken, wenn sie nicht kritisch überprüft werden

Verantwortung auf mehreren Ebenen

Die ethische Verantwortung bei der KI-Nutzung verteilt sich auf verschiedene Akteure:

Akteur

Verantwortungsschwerpunkte

Modellentwickler:innen

Trainingsdatenwahl, Offenlegung von Grenzen, Sicherstellung von Fairness

Plattformbetreiber:innen

Transparenz, Missbrauchsvermeidung, Feedbackkanäle

Anwender:innen

Kritische Nutzung, Kontextbewusstsein, reflektierter Prompt-Einsatz

Regulierung

rechtlicher Rahmen (z.B. DSGVO, EU AI Act), Durchsetzung von Ethikstandards

Beispiele für kritische KI-Verzerrungen (Bias)

  • Gender-Bias: KI bevorzugt bei der Jobsuche systematisch männlich codierte Begriffe oder Profile
  • Ethnische Verzerrung: Gesichtserkennung funktioniert bei nicht-weißen Personen weniger zuverlässig
  • Sprachlicher Bias: Englischsprachige Quellen dominieren – lokale, kulturelle oder fachliche Perspektiven bleiben unterrepräsentiert

Strategien für verantwortungsvollen KI-Einsatz

  • Modellkenntnis: Verständnis für Stärken und Grenzen des eingesetzten KI-Modells
  • Prompt-Dokumentation: Nachvollziehbare Fragestellungen und Ergebnisse archivieren
  • Transparente Kommunikation: Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten gegenüber Dritten
  • Vermeidung von Automatisierungsfalle: Menschliche Kontrolle bei Entscheidungen mit Relevanz für Personen oder Ressourcen

Aktuelle Initiativen und Leitlinien

Mehrere Organisationen arbeiten an internationalen Leitlinien für eine Responsible AI. Darunter:

  • UNESCO AI-Empfehlung: Globales Rahmenwerk für ethische KI
  • OECD AI Principles: Internationale Standards zu Transparenz, Robustheit und Rechenschaft
  • EU AI Act: Klassifizierung von Risiken (z.B. unvertretbares Risiko bei Sozialkredit-Systemen)
  • Hugging Face Ethics Cards: Offenlegung von Modellgrenzen, Einsatzfeldern und ethischen Aspekten

KI-Kompetenz bedeutet auch ethisches Urteilsvermögen

Die technische Reife moderner KI darf nicht über ihre gesellschaftliche Wirkung hinwegtäuschen. Wer KI nutzt – sei es in der Bildung, Entwicklung, Beratung oder Kommunikation – trägt Mitverantwortung. Nicht nur für die Qualität der Ergebnisse, sondern auch für ihre Einbettung in einen ethisch reflektierten Rahmen.

KI ist nicht nur ein Werkzeug. Sie ist ein Spiegel der Gesellschaft – und somit ein Verstärker ihrer blinden Flecken.

Deep Dive: Der EU AI Act – was sich konkret ändern wird

Mit dem EU AI Act schafft die Europäische Union den weltweit ersten umfassenden Rechtsrahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Ziel ist es, Innovation zu fördern, gleichzeitig aber Risiken für Grundrechte, Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe konsequent zu begrenzen. Der Gesetzesentwurf wurde 2024 finalisiert und soll bis 2026 schrittweise in Kraft treten. Doch was bedeutet das konkret für Anbieter, Entwickler:innen und Nutzer:innen von KI-Systemen?

Risikobasierter Ansatz als Kernprinzip

Der AI Act unterteilt KI-Systeme in vier Risikoklassen:

Risikostufe Beispiele Folgen
Unvertretbares Risiko Sozialkreditsysteme, manipulative KI, Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum Verbot in der EU
Hohes Risiko Bewerberauswahl, Kreditwürdigkeitsprüfung, medizinische Diagnostik Strenge Anforderungen (Dokumentation, Risikomanagement)
Begrenztes Risiko Chatbots, Empfehlungssysteme Transparenzpflicht (Nutzer:innen müssen informiert werden)
Minimales Risiko Spiele, kreative Tools, Hobby-Anwendungen Keine besonderen Auflagen

Was ändert sich konkret für Anbieter und Entwickler?

Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen müssen künftig:

  • eine Risikoabschätzung durchführen,
  • Trainingsdaten dokumentieren,
  • menschliche Aufsicht sicherstellen,
  • technische Robustheit nachweisen,
  • und ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen (ähnlich wie bei Medizinprodukten).

Auch Open-Source-Modelle können betroffen sein, wenn sie in kritischen Infrastrukturen (z.B. Verkehr, Energie, Justiz) zum Einsatz kommen.

Transparenzpflichten für Foundation Models und Chatbots

  • General Purpose AI-Modelle wie GPT, Claude oder Gemini müssen künftig:
    • offenlegen, ob und wie urheberrechtlich geschützte Daten verwendet wurden,
    • die Fähigkeiten, Grenzen und Risiken des Modells dokumentieren,
    • und Nutzungsstatistiken bereitstellen, sofern sie öffentlich zugänglich sind.
  • KI-gestützte Interaktionen (z. B. Chatbots, Avatare) müssen klar als KI erkennbar sein – etwa durch Kennzeichnung oder Einleitung.

Auswirkungen auf KI-Nutzung in Unternehmen und Bildungseinrichtungen

  • Wer KI für automatisierte Entscheidungsprozesse nutzt, trägt künftig eine Nachweispflicht – etwa bei Notenvergabe, Bewerberauswahl oder Vertragsprüfungen.
  • Auch Bildungsträger und Verwaltungen müssen Transparenz- und Rechenschaftsstandards einhalten, wenn sie auf externe KI-Modelle zugreifen.

Warum der AI Act international richtungsweisend ist

Der EU AI Act gilt schon jetzt als Vorbild für andere Regionen:

  • Kanada und Brasilien arbeiten an ähnlichen Konzepten.
  • USA und China beobachten die Umsetzung mit Interesse – auch aus Wettbewerbsgründen.
  • Große Anbieter wie Anthropic, Google DeepMind und OpenAI haben bereits angekündigt, ihre Modelle an EU-Standards anzupassen.

Fazit: Zwischen Innovationsförderung und Regulierung

Der EU AI Act bringt Struktur und Verantwortlichkeit in einen bislang weitgehend unregulierten Raum. Für Unternehmen und Institutionen bedeutet er mehr Aufwand – aber auch Rechtssicherheit. Für Nutzer:innen entsteht Transparenz und Schutz. Und für Entwickler:innen ist er ein Signal: Die Zeit der Blackbox-KI endet – zugunsten von erklärbaren, fairen und vertrauenswürdigen Systemen.

„Der EU AI Act ist kein Bremsklotz für KI – sondern eine Leitplanke für den Fortschritt.“

DSGVO – was bedeutet das in der Praxis?

Wenn Sie KI-Modelle beruflich oder institutionell einsetzen, unterliegen Sie der DSGVO. Dabei gilt:

  • Eine Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb der EU ist nur zulässig, wenn ein angemessenes Schutzniveau vorliegt.
  • Anbieter mit Hosting in China, Russland oder den USA müssen dafür nachweislich Schutzmaßnahmen (z.B. Standardvertragsklauseln) treffen.
  • Die bloße Verwendung eines Cloud-Modells mit Sitz außerhalb der EU kann bei sensiblen Daten bereits ein Verstoß darstellen.

Tipp: Greifen Sie bevorzugt auf europäische Anbieter oder lokal betreibbare Open-Source-Modelle zurück. So behalten Sie Datenhoheit und rechtliche Sicherheit.

Fazit: Offene Modelle, klare Verantwortung

Die öffentliche Verfügbarkeit spezialisierter KI-Modelle ermöglicht einen demokratisierten Zugang zur Innovation. Doch mit dieser Offenheit geht Verantwortung einher:

  • Wo liegen meine Daten?
  • Wer hat Zugriff auf Logs, Promptdaten und IPs?
  • Wie transparent ist der Anbieter?

Wer in Deutschland oder der EU KI-Modelle einsetzen möchte, sollte auf DSGVO-Konformität, lokale Nutzungsmöglichkeiten und Open-Source-Transparenz achten. Denn eines ist klar: Die technischen Unterschiede schrumpfen – aber die regulatorischen und ethischen Herausforderungen wachsen.

GLOSSAR

KI (Künstliche Intelligenz)

Überbegriff für Systeme, die menschenähnliche Fähigkeiten wie Lernen, Verstehen, Planen oder Kommunizieren imitieren.

LLM (Large Language Model)

Ein großes Sprachmodell, das mithilfe von Milliarden von Parametern natürliche Sprache erzeugen, analysieren oder zusammenfassen kann. Beispiel: ChatGPT, Claude, Gemini.

Prompt

Die Eingabe oder Fragestellung, die einem KI-Modell übergeben wird. Ein präziser Prompt ist entscheidend für die Qualität der Antwort.

Prompt Engineering

Die gezielte Gestaltung und Optimierung von Prompts, um gewünschte Ausgaben der KI zu erhalten. Schlüsselkompetenz im professionellen Umgang mit KI.

Token

Ein Token ist eine kleinste sprachliche Einheit (Wort, Silbe, Zeichen), die ein Modell verarbeitet. Viele Modelle rechnen Abfragen nach Token-Kosten ab.

Kontextfenster (Context Window)

Gibt an, wie viele Token ein Modell in einem Durchgang verarbeiten kann. Je größer das Kontextfenster, desto mehr Informationen können im Gespräch gehalten werden.

Bias

Systematische Verzerrung in den Antworten oder Empfehlungen von KI-Systemen – häufig durch unausgewogene Trainingsdaten verursacht.

Foundation Model

Ein universell trainiertes KI-Modell, das für viele Aufgaben angepasst oder weiterverwendet werden kann. Claude 3, GPT-4 und LLaMA gelten als Foundation Models.

Open-Source-KI

Ein KI-Modell, dessen Quellcode, Parameter oder Trainingsdaten öffentlich zugänglich sind. Beispiele: Mistral, LLaMA 3, DeepSeek.

EU AI Act

Erstes umfassendes Gesetz zur Regulierung von KI-Systemen in der EU. Führt Risikoklassen, Transparenzpflichten und Anforderungen an Hochrisiko-Anwendungen ein.